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Charlaques Brief an Ebel

New York City, Den 18. Oktober, 1946
20 Leroy Street.

Liebe Toni,

Deine Karte voller Trübsal erhielt ich gestern. Darling, ich möchte Dir etwas sagen, aber bitte versteh mich recht. Trotz aller Not und allen Hungers, bist Du zehn Mal glücklicher als ich. Du hast Lieschen und Karl, kannst einmal zu Ella Mueller und Anderen lieben Menschen herüberlaufen und plauschen, kurz und gut, bist nicht alleine. Aber ich, Liebste, habe keinen Menschen, mit welchem ich ein Wort wechseln könnte, oder über Dinge sprechen, welche mir nahe liegen. Also ich den ersten Morgen hier im Hotel erwachte, mit Niemand „Guten Morgen“ wünschte, war es um meine Nerven geschehen.

In Liebenau und auf der Reise, war man stets von Menschen umgeben, so dass man die Einsamkeit nicht spürte. Aber als ich sah, wie Jeder hier in Amerika von Freunden erwartet und empfangen wurde nur ich nicht, da war es um mich geschehen. Als wir landeten, musste ich erst einmal alles das Durchmachen, was ich im Jahre 1932 in Berlin durchmachte. Ärztliche Untersuchungen usw. Dieses dauerte genau 2 Wochen. Dann wurde mir das Recht auf Den Namen, Charlotte Curtiss Charlaque, zugesprochen. Da ich ja keinen Kreuzer Geld hatte, nahm sich das Rote Kreuz meiner an, ich wurde in einem Hospiz untergebracht.

Liebl, welcher selber keinen Pfennig hatte, und das Tschechische Konsulat, welches mich für eine Nazi hielt, da ich mich weigerte über Gräueltaten zu sprechen, welche ich ja auch wirklich nicht gesehen hatte, auch weil man mir in Liebenau drohte, dass wenn ich ein Wort gegen Deutschland sagte, man Dich sofort „um die Ecke bringen würde“, versagten jede Hilfe. So wurde ich der Wohlfahrt überwiesen, welche mir ganze 35 Dollar den Monat gaben. Von diesem Gelde musste ich 20 Dollar Miethe zahlen. Hatte also genau 50 Cents den Tag für das Essen übrig.

Erst als ich auf der Straße zusammenbrach und in ein Hospital geschafft werden musste, wo ich einen derartigen Nervenzusammenbruch erlitt, dass ich 2 Wochen zwischen Leben und Tot lag, bequemte sich die Wohlfahrt meinen Fall zu recherchieren. Resultat mein Einkommen wurde erhöht. Durch die Güte der Frau Doktor Fuerst, erhielt ich dann die Arbeit (3 Stunden täglich) von der Behörde zugewiesen für welche jetzt 82, 95 Dollar monatlich erhalte.

Mein Tag ist folgender: Bureau von 9-12, todmüde nach Hause. Ruhen von 1-3, Mittagessen eine Stunde im Park sitzen, nach Hause, lesen und ins Bett. Mein Magen ist noch von Prag her vollkommen herunter, da mir die Butter und gute Nahrung im Hitler-Regime ein Geschwür zuzog. Freunde habe ich keine, da mir die Mittel fehlen in die Kreise der Intellektuellen einzudringen, die gewöhnlichen Leute aber sind so stupid, dass sie (die Leute) mich nicht begreifen, sowie ich auch die nicht. Darum gab ich es auf.

Du siehst also keine ist heute auf Rosen gebettet

Gruess Alle, Liebste, vergiss nicht, meine Gedanken sind immer bei Dir,

Charlotte Charlaque

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