Zwangsverabreichung von Medikamenten
© Stadtarchiv Wien.
Ausschnitt aus Bella Prees ärztlichem Gutachten
Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die intergeschlechtliche Bella Pree wurde ihr in den 1950er Jahren eine ärztliche Begutachtung aufgezwungen. Dies ist ein Ausschnitt des Gutachtens, das von Prof. Dr. Walther Schwarzacher und seinem Assistenzarzt Dr. Walter Franke am Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien angefertigt wurde. Dem Gutachter schilderte sie, dass ihr während ihrer Haft im KZ Natzweiler 1943, im Rahmen einer sogenannten „freiwilligen Entmannungskur“ eine gelbliche Flüssigkeit in die Genitalgegend gespritzt worden sei.
Von Freiwilligkeit konnte in den meisten Fällen jedoch kaum die Rede sein. Lehnten Betroffene eine Sterilisation ab, so drohte ihnen die weitere Inhaftierung und damit eine Gefahr für Leib und Leben. Selbst nach der Sterilisation wurden einige, trotz vorheriger Versprechen, nicht freigelassen. Bella hatte sich zur gleichen Zeit wie die ebenfalls intergeschlechtliche Adele Haas im KZ Natzweiler befunden. Adele berichtete nach der NS-Zeit von ihrem Wissen über die Verabreichung von Spritzen in Baracke 5 des KZs, in der sie zeitweise untergebracht war. In dieser Baracke fanden nachweislich grausame Experimente an Menschen statt.
Die Ansicht, dass Intergeschlechtlichkeit eine „schwere körperliche Missbildung“ sei und Betroffene sterilisiert, bzw. vom Heiratsmarkt „erstrebenswerter Volksgenossen“ entfernt werden müssten, vertraten während der NS-Herrschaft viele deutsche Mediziner*innen. Sie wollten vermeiden, dass intergeschlechtliche Personen Kinder zeugten, denn sie waren der Meinung diese schädigten den „Volkskörper“.
Mit der Zuschreibung einen Körper zu besitzen, der von medizinischen Geschlechternormen abwich, konnten nicht nur intergeschlechtliche Menschen für krank und unerwünscht erklärt werden. Intergeschlechtlichkeit wurde auch dafür benutzt, bestimmte Menschengruppen abzuwerten. Dahinter konnten antisemitische und rassistische, trans- und homofeindliche, sexistische und sogar antikommunistische Motive liegen, die teils miteinander verwoben wurden. Der österreichische Mediziner Robert Stiegler versuchte so unter anderem jüdische Menschen, emanzipatorische Frauen, sowie Leitfiguren des Marxismus und Bolschewismus zu diffamieren. Er stellte die These auf, dass viele dieser Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit intergeschlechtlich seien.