Zwangssterilisation
© Staatsarchiv Hamburg.
Abschnitt aus Wündschs „Intelligenzprüfungsbogen“
Privates Foto ca. Anfang der 1970er Jahre, © Jako Wende.
Dieser Abschnitt eines sogenannten „Intelligenzprüfungsbogens“ wurde während *Anni Wündschs Begutachtung zur Sterilisation in der Staatskrankenanstalt Langenhorn vom begutachtenden Arzt ausgefüllt. *Anni war in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden, um im Rahmen eines Verfahrens am Erbgesundheitsgericht begutachtet zu werden. Zuvor war sie bereits vor der drohenden Sterilisation aus dem „Versorgungsheim Farmsen“ geflohen, einem geschlossenen Arbeitshaus für Menschen, die als „asozial“ gebrandmarkt wurden.
Am 3. April 1935 wurde *Anni auf Beschluss des Erbgesundheitsgerichts im Universitätskrankenhaus Eppendorf sterilisiert. Der Arzt hatte sie im Gutachten als diebisch, drogenabhängig, homosexuell und „von Geburt an schwachsinnig“ bezeichnet. Ihre Femininität hatte er als ein Symptom ihres angeblichen „Schwachsinns“ beschrieben.
Während der NS-Herrschaft wurden ca. 400.000 Menschen zwangssterilisiert. Sie sollten aktiv aus der Reproduktion innerhalb des „Volkskörpers“ ausgeschlossen werden. Darunter waren viele Personen, die als „behindert“ galten. Nach dem „Erbgesundheitsgesetz“, in Kraft ab 1. Januar 1934, wurden Menschen mit sogenanntem „angeborenem Schwachsinn“ am häufigsten sterilisiert. Diverses sozial unerwünschtes Verhalten konnte unter diese Kategorie fallen. Auch Menschen, denen „Asozialität“ oder „Psychopathie“ zugeschrieben wurde konnten so sterilisiert werden.
Bei der Begutachtung war die sogenannte „Lebensbewährung“ ausschlaggebend. Diese schloss die Messung der Intelligenz ein und war sehr geschlechtsspezifisch gedacht. Bei Männern war die Fähigkeit und der Wille zu Lohnarbeit, bei Frauen die Fähigkeit und der Wille zu Reproduktionsarbeit entscheidend. Sexuelle Freizügigkeit konnte, vor allem bei Frauen, ein Argument für eine Sterilisation sein.