Zum Hauptbereich springen Zum Hauptmenü springen
Zur Startseite

Denunziationen

Auszug aus Polizeiprotokoll, mit Schreibmaschine getippter Text: In letzter Zeit habe ihr Mann die Gewohnheit, sich anzumalen wie eine Frau. Er pudere sich, schminke die Lippen, ziehe die Augenbrauen nach und trage Hals- und Armketten und viele Ringe. Was er damit bezwecke, wisse sie nicht. Frau Welack bat zum Schlusse noch, ihre Angaben vertraulich zu behandeln und ihrem Manne nicht zu sagen, was sie über ihn und Frau Walter angegeben habe.

© Landesarchiv Berlin.

Ein Protokoll von Herbert Welacks Denunziation

Dies ist ein Ausschnitt aus einem Protokoll der Weiblichen Kriminalpolizei in Berlin vom 9. Juni 1943 über eine Aussage von Margarete Welack. Ende April hatte Frau Welack mit einem Brief an die Gestapo versucht, sich ihres häuslich gewalttätigen und ehebrüchigen Manns durch eine Denunziation zu entledigen. Dabei unterstellte sie ihm, wahrscheinlich fälschlicherweise, sich zu schminken. Dies tat sie vermutlich, um die Aufmerksamkeit der Gestapo auf sich zu ziehen, die allein wegen häuslicher Gewalt nicht eingeschritten wäre.

Die Gestapo leitete den Fall zuständigkeitshalber an die Kriminalpolizei weiter. Diese begann sofort mit den Ermittlungen gegen Herbert Welack, der wegen angeblich weiblichem Auftreten nun verdächtigt wurde, homosexuell zu sein. Der Verdacht wurde schnell fallen gelassen, nachdem Herbert Welack nachwies, wie viele Kinder er gezeugt hatte und nachdem seine damalige Geliebte der Polizei mitgeteilt hatte, dass ihr bisher nie etwas komisch vorgekommen sei.

Zu den Aufgaben von Mitgliedern der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ gehörte es, diese ständig herzustellen. Die Denunziation als Instrument der sozialen Kontrolle war dafür ein häufig eingesetztes Mittel. Hinter dieser Veröffentlichung des Privaten standen unterschiedliche Motive. Eine Denunziation konnte schon dadurch motiviert sein, sich einen persönlichen Vorteil verschaffen zu wollen, wie zum Beispiel die Wohnung der Person die man denunzierte zu übernehmen oder das alleinige Sorgerecht für die Kinder nach einer Scheidung zu erhalten.

Auch als geschlechtlich nonkonform angesehenes Verhalten konnte als Grund für eine Denunziation vorgeschoben werden, selbst, wenn sich die Person die man denunzierte eigentlich gar nicht geschlechtlich nonkonform verhalten hatte. Somit konnten alle Mitglieder der Gesellschaft von einer solchen Denunziation betroffen sein, auch sehr maskulin auftretende cis Männer.

Zum Hauptbereich springen Zum Hauptmenü springen